Das Pariser Klima-Abkommen verpflichtet seine Unterzeichner, CO2 zu sparen. Das muss ein Land aber nicht immer selbst tun – es kann auch ärmere Staaten dafür bezahlen, stellvertretend das Klima zu schützen. Die Schweiz ist da ein fragwürdiges Vorbild
In Ghana stecken sie nun graue Plastikrohre in den Boden. Sie sind ungefähr so lang und dick wie ein Unterschenkel, zur Hälfte durchlöchert, die Mitte markiert ein weißes Klebeband. Warum sie das tun? Um für die Schweiz CO2-Emissionen zu sparen.
s’hät solangs hät, sagt man in der Schweiz.
Das heißt „Es hat, solange es hat“ auf Hochdeutsch und will sagen: Wer zuerst kommt, bekommt am meisten ab. Das gilt für profane Dinge wie etwa das Abernten eines Obstbaums, das gilt aber auch
für komplizierte Dinge wie die Möglichkeiten, Klimaschutzmaßnahmen ins billigere Ausland auszulagern.
Entwickelte Länder wie Deutschland oder die Schweiz müssen viel Geld ausgeben, um aufwendig ihre Infrastrukturen umzubauen, etwa um Windräder, Solaranlagen und die dafür notwendigen Stromtrassen
zu installieren, um Gebäude zu sanieren, um die Landwirtschaft zu modernisieren oder Elektroladesäulen entlang der Autobahnen aufzustellen. Alles, um CO2 zu sparen. Sie können aber auch arme
Länder dafür bezahlen, das für sie sehr viel einfacher und billiger zu machen, zum Beispiel mit energieeffizienten Öfen – oder mit Plastikrohren im Boden.
In Ghana werden Menschen in ausgewählten Regionen fortan mithilfe der Plastikrohre auf eine klimafreundlichere Art Reis anbauen, die Schweiz wird sich die damit erreichten CO2-Reduktionen anrechnen, weil sie dafür bezahlt hat. Das ist ganz offiziell unter dem Pariser Klima-Abkommen erlaubt, unter Artikel 6. Das Ziel des 2015 auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen beschlossenen Abkommens ist es, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Einige Fachleute fürchten, Artikel 6 könnte dieses Ziel aushöhlen. Die Schweiz hat sich bei den Verhandlungen in den Jahren zuvor stark für diesen Artikel eingesetzt und macht nun als erstes Land der Welt von ihm Gebrauch, ’s hät eben nur, solang’s hät.
Chasch nöd de Füfer und ’s Weggli ha, sagt man in der Schweiz.
Das heißt »Du kannst nicht den Fünfer und das Brötchen haben« auf Hochdeutsch und bedeutet: Man kann nicht alles haben. Für manche, zum Beispiel Ghana, gilt das mehr als für andere, zum Beispiel die Schweiz. Ein durchschnittlicher Mensch in Ghana ist für 0,75 Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich, ein durchschnittlicher Mensch in der Schweiz für fast siebenmal so viel: 5,2 Tonnen. Und nun sparen die Menschen in Ghana für die Menschen in der Schweiz CO2.
Seit einigen Monaten schult das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, kurz UNDP, welches das Projekt für die Schweiz in Ghana umsetzt, Frauen und Männer darin, auf eine klimafreundlichere Art Reis anzubauen. Sie lernen, die Reispflanzen zu einem bestimmten Zeitpunkt, mit genug Abstand und natürlichem Dünger einzupflanzen und nicht wie sonst üblich dauerhaft zu fluten (denn dabei entsteht viel Methan), sondern nur in Intervallen zu wässern. Dafür sollen sie die eingangs erwähnten, zur Hälfte perforierten Plastikrohre mittig in ihre Felder stecken. Die sollen ihnen dabei helfen zu sehen, dass der Boden noch Wasser trägt, auch wenn die Oberfläche schon trocken erscheint.
Ist das moralisch fragwürdig? Alexandra Soezer, die das Projekt vom UNDP-Hauptsitz in New York aus betreut, findet nichts daran auszusetzen, dass die ghanaischen Reisbauern das für die schweizerische Bevölkerung machen. »Das ist wirklich positiv für die Menschen vor Ort«, sagt sie. Wichtig sei doch, dass überhaupt CO2 gespart werde, dass endlich etwas passiere.
Auch die Bauern haben etwas davon, sagt ihr Kollege Saeed Abdul-Razak aus Ghanas Hauptstadt Accra: »Der Wasserverbrauch sinkt um dreißig Prozent, bei gleichbleibendem Ertrag.« Auf Fotos sind Reisfarmer zu sehen, die in Gummistiefeln Plastikrohre in matschige Böden stecken und sich auf Plastikstühlen sitzend Vorträge anhören. Das letzte Bild zeigt die Ernte, einen Berg Reis, in Nahaufnahme. Da künftig immer weniger Wasser verfügbar ist, sei die Anbaumethode außerdem schon eine Anpassungsmaßnahme an die Klimaerwärmung, erklärt Abdul-Razak. Und Alexandra Soezer bekräftigt: »Ghana profitiert von diesem Projekt aufgrund der positiven Effekte vor Ort, die weit über Emissionsreduktion hinausgehen.« Denn Ghana kommt so an Geld, das es sonst nicht bekommen hätte, und kann ein Projekt umsetzen, das es sonst nicht gegeben hätte. Ist es also »wirklich positiv«?
Der Schweiz zumindest wird es dabei helfen, künftig ihre Versprechen einzuhalten. Denn darin war sie in der Vergangenheit nicht besonders gut: Sie hat ihr offiziell festgelegtes Ziel, ihre Emissionen bis 2020 um zwanzig Prozent zu senken, nicht erreicht, trotz Pandemie. Konsequenzen hat das keine. Es ist natürlich langfristig diplomatisch gesehen nicht ratsam, internationale Versprechen zu brechen, auch nicht für eines der reichsten Länder der Welt. Das nächste gilt für 2030: Bis dahin will die Schweiz ihre Emissionen um fünfzig Prozent senken – das sind fünf Prozent weniger, als die Europäische Union und 15 Prozent weniger als Deutschland verspricht. Selbst ihr niedriges Ziel will die Schweiz aber eben nur zu zwei Dritteln aus eigenen Kräften schaffen. Das restliche Drittel sollen andere Länder für sie machen. Ärmere Länder. Neben Ghana hat die Schweiz dafür schon mit Peru, Senegal, Georgien, Vanuatu, Dominica, Thailand, der Ukraine, Marokko, Malawi und Uruguay Verträge abgeschlossen, mit Chile ist sie in Verhandlungen. Für die meisten der Projekte zahlt die Schweizer Erdölbranche – die die Mehrkosten allerdings als Aufschlag auf die Benzinpreise an die Bevölkerung weitergibt.
Bi de Riiche lernt mä spaare, sagt man in der Schweiz.
Das heißt »Bei den Reichen lernt man sparen« auf Hochdeutsch. Es bezieht sich allerdings nur auf Geld, keineswegs auf CO2, da lernt man eher, wie man am Sparen spart. Dem Schweizer Beispiel werden andere Länder folgen, bislang ist das von Schweden, Singapur, Südkorea und Japan bekannt – Japan hat schon mit 27 Ländern weltweit Abkommen geschlossen. Das Einsparpotenzial ist enorm: Laut der Studie eines internationalen Forschungsteams wäre es halb so teuer, die weltweiten Klimaziele zu erreichen, wenn man die CO2-Reduktionen so weit wie möglich von armen Ländern umsetzen ließe.
Und Deutschland? »Die Europäische Union hatte bereits 2020 beschlossen, dass sie ihr aktuelles Klimaziel ohne den Ankauf jeder Art von Kompensations-Zertifikaten erreichen wird. Dies gilt damit für alle Mitgliedsstaaten«, schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf Anfrage. Der Grund ist vermutlich weniger in der Moral als in wirtschaftlichen Überlegungen zu finden: »Die allermeisten setzen ausschließlich auf Reduktionen in ihrem Territorium, denn Reduktionen führen immer zu Investitionen«, erklärt Georg Klingler aus dem Schweizer Büro der Umweltorganisation Greenpeace. Er ist langjähriger Beobachter der Klimaverhandlungen und scharfer Kritiker seiner Regierung: »Die Schweiz muss einen Pfad gehen, der nach Null führt und das verbleibende globale Klimabudget bestmöglich entlastet. Aber das macht sie nicht, sie rechnet stattdessen ihren Weg mit billigen Projekten in anderen Ländern schön.«
Andere Länder für sich CO2 sparen zu lassen, war auch schon unter dem Kyoto-Protokoll möglich, dem Vorgänger des Pariser Abkommens. Der große Unterschied ist aber, dass sich damals nur die Industriestaaten verpflichten mussten, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Unter dem Pariser Abkommen müssen alle Länder reduzieren, also auch Ghana, Peru, Senegal, Georgien, Vanuatu, Dominica, Thailand, Ukraine, Marokko, Malawi, Uruguay und Chile.
Die meisten dieser Länder haben nicht nur besonders wenig zur Klimaerwärmung beigetragen, sondern leiden auch besonders stark unter deren Folgen: In Peru schmelzen die Andengletscher, Senegal wird von extremen Dürren und Überschwemmungen heimgesucht, der Inselstaat Vanuatu droht unter dem steigenden Meeresspiegel zu verschwinden. Alle Länder außer Uruguay und Chile gelten als »Entwicklungsländer«. Und es ist fraglich, dass die Klimaprojekte daran – trotz gegensätzlicher Behauptung – etwas ändern werden.
Wänn jedä für sich luegt, isch für all gluegt, sagt man in der Schweiz.
Wenn jeder für sich selbst schaut, ist für alle geschaut. »Die Vertragsparteien erkennen an, dass sich manche von ihnen für eine freiwillige Zusammenarbeit bei der Umsetzung ihrer national festgelegten Beiträge entscheiden, um sich für ihre Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen höhere Ambitionen setzen zu können und um die nachhaltige Entwicklung und die Umweltintegrität zu fördern«, heißt es im Pariser Klima-Abkommen. Aber wie freiwillig kann so eine »freiwillige Zusammenarbeit« sein zwischen armen Ländern und der Schweiz, laut den Vereinten Nationen dem am höchsten entwickelten Land der Welt?
Es gibt Regeln, die die armen Länder schützen sollen: Die CO2-Minderung darf nicht doppelt gezählt werden, nur ein Land darf sie sich anrechnen – das klingt selbstverständlich, war aber jahrelang ein Streitpunkt. Die Projekte müssen zusätzlich, also nicht schon von den so getauften »Gastländern« in Planung gewesen sein, denn dann würden mithilfe der Finanzierung aus dem Ausland keine zusätzlichen Emissionen eingespart. Und sie sollten auch den Gastländern etwas bringen, also bislang unzugängliche Technologien finanzieren und nicht simple Dinge, die das Land auch ohne fremde Hilfe hätte umsetzen können.
Low hanging fruits, tief hängende Früchte, werden diese einfachen Lösungen im Fachjargon genannt. Und man müsste meinen, dafür gäbe es harte Kriterien, aber: »Es gibt keine klar definierten Kriterien, in jedem Land ist die Situation anders«, gesteht Franz Perrez ein. Er ist ehemaliger Umweltbotschafter der Schweiz und als solcher auch Leiter der Schweizer Delegationen in internationalen Umwelt- und Klimaverhandlungen. Ohne ihn gäbe es Artikel 6 in dieser Form nicht. Einzig Aufforstungsprojekte, die oft von privaten Firmen zum Ausgleich ihrer Emissionen genutzt werden, schließe die Schweiz aus, sagt Perrez, weil nicht sicher sei, dass CO2 damit verlässlich gespeichert werde – »die Dauerhaftigkeit von Waldschutzprojekten ist oft unsicher«. Nichts kann die Schweiz aber von dem Griff nach tief hängenden Früchten abhalten.
»Wenn die Marktmechanismen dazu führen, dass die Schweiz jetzt low hanging fruits in den Partnerländern realisieren würde, dann wäre das natürlich nicht gut«, sagt Perrez. »Denn wir würden dem Land nicht helfen, indem wir Projekte umsetzen, die das Land selber realisieren könnte.« Schlimmer noch: Die Schweiz würde das Pariser Klima-Abkommen aushöhlen, weil sie sich mit simplen CO2-Reduktionen, die auch ohne die Schweiz umgesetzt worden wären, das Recht erkaufen würde, zu Hause im selben Maße CO2 auszustoßen. Es gäbe also tatsächlich keine Ersparnis an CO2-Ausstoß. Georg Klingler von Greenpeace benutzt im Gegensatz zu Franz Perrez keinen Konjunktiv: »Der ganze Baum muss abgeerntet werden. Und die Schweiz pflückt unten.«
Auch das Reisprojekt in Ghana ist wohl als low hanging fruit zu bewerten, denn weder fördert es eine schwer zugängliche Technologie noch sind die Reisanbaumethoden in Ghana neu. Sie werden schon seit Jahren gefördert, zuletzt startete der UN-Anpassungsfonds im Januar dieses Jahres ein Großprojekt in Westafrika, mit dem er Farmern in Ghana und zwölf anderen Ländern diese Anbaumethoden beibringt.
Carsten Warnecke vom deutschen Thinktank New Climate Institute findet für das Verhalten der Schweiz klare Worte: »Die low hanging fruits wurden identifiziert und gepflückt. Wir reden hier von einem der reichsten Länder der Erde, das der Meinung ist, den Klimaschutz, den es technisch und finanziell zu Hause machen kann, nicht umsetzen zu müssen.« Die Schweiz dürfe Artikel 6 auf diese Art nicht nutzen, erklärt er, weil dieser ambitionssteigernd gedacht sei, also eben nicht Maßnahmen im Inland ersetzen, sondern ergänzen solle. Das ist so wörtlich im Abkommen nachzulesen: »um sich für Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen höhere Ambitionen setzen zu können«. Warnecke erklärt: »Steigern kann man nur, wenn man das gemacht hat, was man sowieso machen muss. Und wenn man dann noch mehr machen möchte, dann kann man andere Staaten freiwillig unterstützen.«
Die Schweiz bricht also die selbst geschriebenen Regeln des Artikel 6, nur Konsequenzen hat das nicht, zumindest nicht für sie.
There is no free lunch, sagt man in Ghana.
Das heißt »Es gibt kein kostenloses Mittagessen« auf Deutsch und bedeutet: Es gibt nichts geschenkt auf der Welt.
»Die Farmer werden darauf aufmerksam gemacht, dass es sich hierbei um ein Klimaprojekt zwischen der Schweiz und Ghana handelt«, sagt der UNDP-Mitarbeiter Saeed Abdul-Razak, der das Reisprojekt in Ghana betreut. »Mit einigen Farmern kam es zu Diskussionen«, erzählt er. »Sie fragten: Warum sollen wir die Emissionen reduzieren, wenn es die Industrieländer sind, die verschmutzt haben?«
Ja, warum? Ghana muss unter dem Pariser Abkommen nun seine eigenen Klimaziele erreichen, dafür hat es mehr als dreißig CO2-Minderungsmaßnahmen definiert. »Der Methanausstoß des Reisanbaus wurde im aktuellen nationalen Inventar der Treibhausgasemissionen erfasst. Aber der Reisanbau ist nicht Teil unserer Minderungsmaßnahmen«, sagt Daniel Tutu Benefoh, stellvertretender Direktor der Umweltbehörde Ghanas und einer der Menschen, die den Deal mit der Schweiz eingefädelt haben. In seinen Augen ist das Reisprojekt deswegen keine low hanging fruit, weil Ghana es selbst nicht geplant habe. Was er nicht sagt: Ghana hat seine Klimamaßnahmen erst veröffentlicht, als das Abkommen mit der Schweiz bereits geschlossen war. Die Befürchtung vieler Beobachter ist, dass arme Länder wie Ghana leicht umzusetzende Maßnahmen extra nicht in ihre eigenen Klimaziele aufnehmen, damit sie sie an reiche Länder wie die Schweiz verkaufen können.
Es ist sowieso unwahrscheinlich, dass die meisten armen Länder ihre Klimaziele erreichen, denn ein Großteil ihrer angestrebten Maßnahmen sind »konditionell«, das heißt auf Finanzierung von außen angewiesen. Ghana braucht 5,4 Milliarden US-Dollar Unterstützung, um seine Ziele zu erreichen – es ist unwahrscheinlich, dass es die bekommen wird. Denn obwohl die Industriestaaten versprochen haben, ab 2020 jedes Jahr gemeinsam 100 Milliarden US-Dollar Klimahilfen an arme Länder wie Ghana zu zahlen, blieben sie bislang das volle Geld schuldig. Der Haken an dem großen Geldversprechen: Es wurde nie festgelegt, wer wie viel bezahlen muss, das darf jedes Land selbst entscheiden.
Die Schweiz zahlte laut einer Analyse des Thinktanks Overseas Development Institute 2020 knapp vierzig Prozent weniger, als ihr fairer Anteil wäre. Das liegt daran, dass man »fair« sehr unterschiedlich auslegen kann. Der Schweizer Bundesrat findet es fair, die Zahlungen von den im Inland verursachten Emissionen abhängig zu machen. Die Schweiz verursacht mit ihrem Konsum von klimaschädlichen Gütern aber mehr als doppelt so viele Emissionen im Ausland. Fair wäre, wenn sie gemessen an diesen Emissionen Geld an Länder zahlt, die unter den Folgen davon zu leiden haben werden. Und das sollte zusätzlich zu bisherigen Entwicklungshilfen passieren, statt diese einfach umzubenennen. In einem Bericht an die UN schreibt die Schweiz aber, ihre Entwicklungshilfe »schrittweise auf den Klimawandel« auszurichten, sie werde dennoch »ihre bereitgestellte Klimafinanzierung weiterhin als neu und zusätzlich betrachten und bestimmen«.
Man kann sagen: Es ist besser, wenn Länder Geld schicken und dafür eine Gegenleistung erwarten, als wenn sie gar kein Geld schicken. Der ghanaische Umweltaktivist Chibeze Ezekiel findet: »Es ist besser als nichts.« Das macht es aber noch lange nicht gut. Der Deal, auf den Ghana sich nun mit der Schweiz geeinigt hat, ist nur der erste von vielen. Außer mit der Schweiz hat das Land bereits Abkommen mit Schweden, Singapur und Südkorea abgeschlossen. »Es wäre unfair, wenn die Länder diese Abkommen nun als Legitimation dafür nähmen, bei sich zu Hause weiter business as usual zu machen«, sagt Ezekiel. Die Schweiz hat die klimaschädlichste Neuwagenflotte im Vergleich mit allen EU-Staaten, sprich: Die Menschen in der Schweiz fahren die dicksten Autos. Was Chibeze Ezekiel meint: Es wäre unfair, wenn sie nun einfach weiter SUV fahren, weil die Menschen in Ghana für sie nun Plastikrohre in den Boden stecken.
Bis dänn flüsst na viel Wasser d’Limmat durab, sagt man in der Schweiz.
Das heißt »Bis dahin fließt noch viel Wasser die Limmat hinunter« auf Hochdeutsch und bedeutet: Das ist noch lange hin. 2030 will die Schweiz mit den Auslandsprojekten wieder aufhören. Für »schwer vermeidbare Emissionen« will der Bundesrat dann sogenannte Negativemissionstechnologien einsetzen, also CO2 aus der Luft herausfiltern und im Boden speichern. Auch der Weltklimarat glaubt, dass es ohne solche Techniken nicht gehen wird. Sie sind aber umstritten, etwa weil sie vermutlich leichte Erdbeben auslösen können. Und sie sind sehr teuer und bislang nur sehr begrenzt verfügbar. Die Schweiz hat schon mal mit Island und den Niederlanden Abkommen geschlossen.
De Schnäller isch de Gschwinder, sagt man in der Schweiz.
Der Schnellere ist der Geschwindere. Das ist eine andere Art zu sagen: Wer zuerst kommt, bekommt am meisten ab.
Süddeutsche Zeitung Magazin 2023
ILLUSTRATION Luca Schenardi