Der größte Protest in der Geschichte der Kanaren bricht los, als der spanische Ölkonzern Repsol vor den Inseln seine Hände nach dem schwarzen Gold ausstreckt. Die Insulaner zwingen die große Industrie in die Knie – Repsol wird kein Öl fördern
Es war schlimmer als in Russland. Als Greenpeace im November an dem Bohrschiff vor den Küsten Fuerteventuras und Lanzarotes gegen eine Ölförderung protestierte, da wurde es brutal, dort draußen auf dem Meer. Die spanischen Militärboote rammten die Schlauchboote der Umweltschützer, eine italienische Aktivistin ging über Bord, brach sich in einer Schiffsschraube ein Bein. In dem Aktionsvideo sind ihre Schreie zu hören.
Das war schrecklich. Aber es war auch das Beste, was der Protestbewegung passieren konnte. Denn alle sollen hinschauen, bevor es zu spät ist. Wenn die Strände erst schwarz sind, wird keiner mehr kommen auf die Inseln vor der marokkanischen Küste.
Ihre Schönheit ist ihr Kapital. Ihre rauen Felsklippen, an denen tosend die Wellen zerschellen. Die Strände, an denen man das ganze Jahr über sonnenbaden kann. Die bizarren Vulkangesteine, die knorrigen Kakteen, die Wale und Delfine, von denen es nirgendwo in Europa so viele gibt wie hier. Manche sagen, es ist das Paradies.
Aber nun, im November 2014, will Spanien von dem verbotenen Apfel kosten, bis zu 6900 Meter unter der Meeresoberfläche. An manchen Stellen des Gebiets, in dem der spanische Konzern Repsol nach Ölvorkommen suchen darf, ist das Wasser 1100 Meter tief. Etwa in dieser Tiefe bohrte die Explorationsplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko, bevor sie durch einen Blowout in Brand geriet, sank und damit die schwerste Ölpest aller Zeiten auslöste.
Den Bewohnern der Kanarischen Inseln bleiben jetzt nur noch zwei Möglichkeiten: hoffen, dass Repsol keinen Apfel finden wird. Oder ihn vergiften.
Ezequiel Navío Vasseur ist nicht der abwartende Typ. Zu viel hat er erlebt: die Ölpest 1991 im Persischen Golf, ausgelöst von irakischen Soldaten, die Ölkatastrophe ein Jahr später, verursacht durch den havarierten Öltanker Aegean Sea vor der galicischen Küste, 2002 die Havarie des Öltankers Prestige vor der gleichen Küste, die die größte Umweltkatastrophe Spaniens auslöste. Überall hat Ezequiel bei den Aufräumarbeiten geholfen, hat ölverschmierte Vögel aus der schwarzen Pest gezogen, hat Tod und Zerstörung gesehen.
Seit mehr als zwei Jahren arbeitet er nun für die Inselregierung von Lanzarote als Leiter der Protestkampagne gegen die Ölbohrungen. Er ist der einzige hauptberufliche Gegner Repsols, aber die Riege seiner Verbündeten ist groß. Auf der Internetseite savecanarias.org sammelte er knapp 220.000 Unterschriften gegen die Bohrungen, organisierte Aktionen und holte acht Tage nach der Bohrerlaubnis mehr als 25.000 Demonstranten auf die Straßen Lanzarotes. Er wusste, was das bedeutet. Arbeit von frühmorgens bis spätabends, kaum Urlaub, kaum Privatleben, ein beinahe durchgehend klingelndes Handy. Er ist einer dieser Menschen, die ständig zu vibrieren scheinen, sechs Kilo hat er seit Beginn der Kampagne abgenommen.
Als Ezequiel vor 51 Jahren geboren wird, sitzt sein Vater für seinen Kampf gegen Franco im Gefängnis. Er selbst reist zwanzig Jahre später nach Nicaragua, um für die linksgerichtete Regierung gegen die von den USA unterstützten Contra-Rebellen zu kämpfen. „Es war eine tolle Zeit“, sagt er, als wäre nichts dabei. Später arbeitet er für Greenpeace, den WWF, hilft in Kriegsgebieten. Sein Leben ist der Widerstand.
Um sieben Uhr morgens ist es noch dunkel im Sporthafen von Arrecife, der Hauptstadt Lanzarotes. Yachten schaukeln im Wasser, dazwischen ein kleines weißes Boot. Ezequiel und seine Mitstreiter beladen es mit Kisten voller Brötchen und Wasser. Noch weiß keiner, wann sie in den Hafen zurückkehren werden. Gemeinsam mit anderen Booten von Lanzarote und Fuerteventura wollen sie zum Bohrschiff Rowan Renaissance an der Bohrstelle Sandía, Wassermelone, fahren. Nach ihr haben sie die Protestflotte benannt: Flota Sandía. Bis dahin sind es mehr als dreißig Meilen, die meisten Boote dürfen die Zwölf-Meilen-Zone, so weit reichen die spanischen Hoheitsgewässer, nicht verlassen. Fährt ein Kapitän weiter, muss er mit einer Geldstrafe rechnen, dem Lizenzentzug – und seit der Härte gegen die Greenpeace-Aktivisten auch mit einem physischen Angriff.
Nach zehn Minuten Fahrt schließt an Steuerbord die Glorias auf, ein altes Segelboot. Zwischen Aktivisten und Journalisten steht der Inselpräsident Pedro San Ginés barfuß an Deck. Er wird den ganzen Tag Interviews geben, der französischen Reporterin von Arte und den Journalisten auf dem Boot, das später eintreffen wird, ganz vorne am Bug stehend, die Hände um die Taue der Takelage geschlossen. San Ginés war es, der Ezequiel in den Inselrat holte. Er musste ihm versprechen, ihn niemals für seine liberalnationalistische Partei Coalición Canaria zu benutzen, er hielt sich daran. Ein paar Jahre zuvor hätte er wahrscheinlich niemals gedacht, dass er jemanden wie Ezequiel einmal brauchen würde.
Der Streit um die Bohrungen reicht in das Jahr zurück, in dem die Türme des World Trade Centers einstürzten. Im Dezember 2001 erhält Repsol die Genehmigung, auf einer Fläche von mehr als 6000 Quadratkilometern nach Öl zu suchen. Zwanzig Jahre lang könnten die Vorkommen zehn Prozent des spanischen Bedarfs decken, so die Hoffnung. Ein Jahr später sinkt im Norden von Spanien der Öltanker Prestige. Ezequiel drängt die Inselregierung Lanzarotes zu einer Klage am Obersten Gerichtshof in Madrid. 2004 zieht die spanische Regierung die Bohrgenehmigung wegen Umweltschutzmängeln zurück. Einen erneuten Versuch Repsols weist die sozialdemokratische Regierung Zapateros vier Jahre später ab, aus Rücksicht auf die Ablehnung der Kanaren.
2011 kommt Mariano Rajoy an die Macht, Vorsitzender der konservativen Partido Popular. Seine Regierung erteilt Repsol die Bohrgenehmigung – ohne Rücksicht auf die Ablehnung der Kanaren. Die Wahrscheinlichkeit, auf Öl zu stoßen, liegt nur bei fünfzehn bis zwanzig Prozent. Neben Repsol sind der australische Konzern Woodside Energy und das deutsche Unternehmen RWE Dea an den Bohrungen beteiligt.
Um 9.30 Uhr nähert sich ein Schiff der paramilitärischen Polizeieinheit Guardia Civil der Flota Sandía. Es hält direkt auf das kleine weiße Boot zu und dreht Backbord bei. Es geht los. Ezequiel, Pepe, Louis, Maria-José straffen sich, zupfen ihre Protest-T-Shirts zurecht, ein Blick zu den Protestflaggen am Fahnenmast. „No oil prospecciones, no Repsol“. Keine Ölprobebohrungen, kein Repsol. Sie lächeln, grinsen, auf so eine Konfrontation haben sie gehofft. Ezequiel formuliert schon die Schlagzeile: „Guardia Civil hindert Flotte an friedlichem Protest.“
Eine Zeit lang fahren die beiden Schiffe parallel, nach gegenseitigem Beobachten dreht die Guardia Civil wieder ab, bleibt aber in Sichtweite. Als sich das Boot zwanzig Minuten später der Zwölf-Meilen-Grenze nähert, funkt sie eine Warnung: Bis hierhin und nicht weiter.
Die anderen Boote von Fuerteventura kommen am Treffpunkt an, 28°33’24.2”N13°11’36.3”W, neun sind es nun insgesamt. Es sollten mehr sein. Viele haben Angst, vielleicht auch wegen des neuen Antiprotest-gesetzes, das die Rajoy-Regierung gegen den Widerstand der Opposition durch die erste Kammer des Parlaments brachte. Es wird unter anderem unangemeldete Demonstrationen, Vermummung und sogar das Fotografieren von Polizeiaktionen mit hohen Geldstrafen belegen. Zwar ist das Ley Mordaza, das Knebelgesetz, wie es viele Spanier nennen, noch nicht in Kraft, dass es den Senat passieren wird, gilt aber als sicher. Es zeigt: Die Regierung will bestrafen, wen sie nur kann.
„Wir wissen, dass dieser Kampf lang ist“, sagt die zierliche Idoya Cabrera. Sie arbeitet als Biologin für die Stiftung des wohl bekanntesten Sohnes Lanzarotes: César Manrique, Maler, Bildhauer, Architekt, vielleicht ein Profilneurotiker. Keine Sehenswürdigkeit, an der er nicht seine Spuren hinterlassen hätte: Den monumentalen Aussichtspunkt Mirador del Río, die majestätische Vulkanhöhle Jameos del Agua, den Kakteengarten, die Kreisverkehre, ja selbst die Route der Busrundfahrten durch den Nationalpark Timanfaya hat er gestaltet. Aber er war auch ein Beschützer der Natur und Kultur der Insel, und vermutlich wäre sie sich ihrer Naturreichtümer ohne ihn nicht so sehr bewusst. „Das hier ist ein Hotspot der Biodiversität“, sagt Idoya. 4000 der hiesigen Tier- und Pflanzenarten gibt es ausschließlich auf den Kanarischen Inseln. Lanzarote zählt zu den Unesco-Biosphärenreservaten, wie alle Inseln der Gruppe bis auf Teneriffa. Per Definition „ermöglichen, fördern und fordern sie das nachhaltige Wirtschaften der Menschen“. Ölförderung passt nicht dazu.
Sie passt auch nicht zu dem Walschutzgebiet, das Umweltschutzorganisationen wie der WWF vor Fuerteventura und Lanzarote fordern. Dreißig Prozent der weltweit verbreiteten Walarten wurden dort gesichtet. Neben einer Ölpest kann für die sensiblen Meeressäuger auch der Lärm der Bohrungen zum Problem werden. Er kann ihre Kommunikation und Navigation stören, sodass sie die Orientierung verlieren oder stranden. Immer wieder waren tote Tiere ans Ufer gespült worden, als das Militär Anfang des Jahrtausends Sonartests in dem Gebiet durchführte. Auf Anfrage bestreitet Repsol, derartige Lautstärken mit seinen Bohrungen zu erreichen.
Nun liegen ihre letzten Hoffnungen auf der Europäischen Union, sagt Idoya. Auf Drängen der Kanaren fordert die Europäische Kommission von der spanischen Regierung umfangreiche Auskünfte über die Bohrungen und über geplante Schutzgebiete, die Spanien offenbar zugunsten der Bohrungen unter den Tisch fallen ließ. „Es geht bei all dem nicht nur um schöne Pflanzen und süße Tiere“, sagt Idoya. Weil auf der Insel nur unwesentlich mehr Niederschlag fällt als in der Sahara, kommt das Trinkwasser aus dem Meer. Entsalzungsanlagen machen es genießbar. Eine Ölverschmutzung würde die Inseln austrocknen – auch finanziell.
Knapp vierzig Prozent der kanarischen Wirtschaft macht der Tourismus aus, rund 13 Millionen Besucher kamen im vergangenen Jahr. Sie fahren in großen Reisebussen über die Inseln, kommen auf noch größeren Kreuzfahrtschiffen, trinken All-Inclusive-Cocktails in den Hotelanlagen an den Küsten. Das ist nicht unbedingt schön, aber ohne sie würden die Kanaren zusammenbrechen. Eine Ölpest kann sich die Inselgruppe schlicht nicht leisten. Das weiß auch Repsol und lockt deswegen mit wirtschaftlichen Chancen: 2012 stellte er laut lokalen Zeitungen 52.000 Arbeitsplätze in Aussicht – mehr als doppelt so viele, wie er derzeit weltweit hat. Wenig später korrigierte er sich auf 3000 bis 5000 künftige Beschäftigte. Drei bis fünf Jobs pro eine Million investierte Dollar, so die Hochrechnung. Doch obwohl die Arbeitslosenquote der Kanaren bei über dreißig Prozent liegt, sind mehr als drei Viertel der Bewohner gegen die Bohrungen.
Die Kapitäne lassen ihre Schiffshörner ertönen. Ein kleines gelbes Segelboot erreicht den Treffpunkt, es war die halbe Nacht unterwegs, um jetzt hier sein zu können. Jubel, Ezequiel wirft den Neuankömmlingen Protestflaggen zu. „He, die haben auch noch keine Fahnen, wirf denen auch welche zu“, scherzen sie und zeigen auf das Schiff der Guardia Civil. Die Polizei kreuzt durch die Bootsflotte, beobachtet, fotografiert.
Von den Fischern ist keiner gekommen, dabei würde ihnen eine Ölpest die Lebensgrundlage entziehen. Die Fischgründe hier sind reich. In viele der Küstenorte kehren jeden Morgen die Fischer mit ihren kleinen alten Holzbooten von den Fangfahrten zurück. Mit Netzen fangen sie Sardinen, Gelbstriemenbrassen, Makrelen. Es ist eine harte Arbeit, der Erlös ist gerade jetzt im Winter gering, wenn das Wasser kälter und der Fisch rar wird.
Nur hundert Kilogramm bringen Alonso, Celso und Aritz an einem bewölkten Morgen in den Hafen von Puerto del Carmen, 14 Kilometer westlich von Arrecife. „Wir sind alle gegen die Bohrungen“, sagt Ramón. Er ist Fischer im Ruhestand, trotzdem steht er heute wie an vielen anderen Tagen im Hafen, er will ein paar Fische für die Katze mitnehmen. Alonso ist anderer Meinung. „Aber das könnte auch spanischen Leuten Arbeit geben“, sagt er. Er lädt den Fisch kistenweise in einen Einkaufswagen und schiebt ihn die Rampe zum Kai hoch. „Wenn Spanien davon profitiert, ist das doch gut, oder nicht?“, sagt er. „Ich will in keinem Meer Ölplattformen“, murrt Aritz hinter ihm, seine Haare blond und zerzaust. „Vielleicht wird auch der Schiffsdiesel billiger, wer weiß?“, überlegt Alonso weiter. „Glaubst du etwa, wenn bei den marokkanischen Bohrungen was schiefgeht, dann kommt das nicht hierher?“ Aritz schweigt. „Natürlich!“, setzt Alonso nach.
Auch das benachbarte Marokko lässt nach Öl bohren. Der schottische Erdölkonzern Cairn Energy und der britisch-türkische Konzern Genel Energy stießen bei ihren Probebohrungen in dem nur etwas über hundert Kilometer breiten Wasserstreifen zwischen Fuerteventura und Marokko bereits auf Öl. „Wenn dabei ein Problem auftritt, dann gelangt die Kontamination bis an die kanarischen Küsten“, räumt der Wirtschaftsexperte Agustín Calzada gegenüber der Zeitung La Razón schon vor drei Jahren ein. Er sagt aber auch: „Wenn Spanien zu lange wartet, kommt es am Ende zu spät. Das Erdölvorkommen ist wie ein Glas Limonade mit zwei Strohhalmen: Wer zuerst zu trinken beginnt, bekommt mehr Limonade ab.“ Ezequiel findet dafür eine andere Metapher: „Wenn unser Nachbar mit einer Bombe spielen will, dann ist das keine Entschuldigung dafür, selbst mit einer Bombe zu spielen.“
Eine Aktivistin der Flota Sandía springt ins Wasser, schwimmt zu Ezequiel herüber. Sie hat eine Idee, ein Bild, das sich gut für das Presseboot machen würde, das gleich ankommen soll. Ezequiel ist unschlüssig, er will weiter zum Bohrschiff. Doch er ahnt, dass sich kein Kapitän finden wird, der bereit ist, das Risiko einzugehen. Sie entscheiden sich für das Symbolbild. Zehn Aktivisten springen in den Atlantik, um sie herum bilden die Boote einen Kreis. Sie halten ein Protestbanner hoch, dazu der Chorus, den sie schon auf unzähligen Demonstrationen in den vergangenen Monaten gerufen haben: „No es no! Canarias no se vende, Canarias se defiende!“ Nein ist nein. Die Kanaren verkaufen sich nicht, die Kanaren verteidigen sich. Sie wirken ein wenig verloren im großen weiten Ozean, meilenweit entfernt vom Bohrschiff. Von oben betrachtet wären sie nichts weiter als ein kleiner bunter Punkt.
So fühlen sich die Kanarischen Inseln auch von der spanischen Regierung behandelt. Die Entscheidung gegen die Bohrungen ignorierte sie, ein geplantes Referendum verbot sie. „Man behandelt uns wie in früheren Zeiten, so, als wären wir noch immer eine im Atlantik verlorene Kolonie“, beschwert sich Paulino Rivero, der Präsident der Kanarischen Inseln. Die Härte Madrids verkörpert sein ehemaliger Konkurrent um das kanarische Spitzenamt, José Manuel Soria. Ministerpräsident Rajoy holte den auf Gran Canaria geborenen Parteikollegen nach seiner Niederlage gegen Rivero nach Madrid und ernannte ihn zum Minister für Industrie und Tourismus. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Bohrgenehmigung für Repsol. Seine Politik wirkt wie ein Rachefeldzug.
Vor allem ist sie eine Bremse für das, was auf den Kanarischen Inseln so nahe liegt. Mit viel Wind und Sonne würden sie sich ideal für eine grüne Stromgewinnung eignen. Erneuerbare machen auf den Kanaren aber nicht einmal fünf Prozent der Energieerzeugung aus. Dabei wäre das hier für sie „der beste Platz der Welt“, glaubt man Barry Sargeant, dem verschrobenen Briten, der am Nordzipfel Lanzarotes am Ende einer Schotterstraße mit seinen vier Katzen und seiner französischen Freundin Sylvie wohnt. Man tut gut daran, ihm nicht alles zu glauben, „es ist gut, verrückt zu sein, dann kann man sagen was man will“, sagt er über sich selbst. Aber mit erneuerbaren Energien kennt er sich aus, sein ganzes Haus betreibt er mit Strom aus einer selbst installierten Windturbine und Solarpaneelen. Überschüssige Energie speichert er in Batterien in dem kleinen Schuppen hinterm Haus, den Generator braucht er vielleicht zehn Stunden im Jahr, schätzt er. Ungefähr einhundert Häuser in der Umgebung hat er auf diese Weise umgerüstet. „Vor allem die deutschen Auswanderer lieben die Sonnenenergie“, sagt er.
Was Barry im Kleinen macht, das setzt El Hierro, die westlichste und kleinste Insel der Kanaren, seit vergangenem Sommer im großen Maßstab um. Die rund 11.000 Einwohner umfassende Inselgemeinschaft verkündete stolz, als erste Insel weltweit vollkommen auf erneuerbare Energieträger umzurüsten. 18.700 Tonnen Kohlendioxid will sie mit einer Kombination aus Windkraftanlagen und Pumpspeicherkraftwerk im Jahr vermeiden. Bis 2020 will sie zudem alle Autos auf Elektroantrieb umstellen, damit auch wirklich kein Öltankschiff den Hafen der Hauptstadt Valverde mehr anfahren muss. Delegationen aus Japan, der Karibik, Dänemark und afrikanischen Staaten zeigten bereits Interesse an dem System der kleinen Vulkaninsel.
Die Kapitäne lenken ihre Schiffe zurück in die Häfen von Lanzarote und Fuerteventura. Der Himmel verdunkelt sich, der Wind frischt auf, bald peitscht Regen auf die Wasseroberfläche. Und auf einmal sind sie da. Delfine strecken ihre Finnen aus dem Wasser, kreuzen vor den Schiffen, ganz nah am Bug.
Ezequiel hätte Repsol an diesem Tag gerne provoziert. Aber er ist sich ohnehin sicher, dass der Konzern verkünden wird, kein Öl gefunden zu haben. „Repsol agiert auf der ganzen Welt, nirgendwo ist die Gegenwehr so groß wie hier“, sagt er. Einen Skandal um ein Ölleck vor den Kanarischen Inseln, das bei diesen Bohrtiefen sehr wahrscheinlich sei, würde das Unternehmen nicht verkraften, so seine steile These.
Mitte Januar gibt Repsol tatsächlich bekannt, die Bohrungen würden aufgegeben. Der Konzern sei zwar auf Öl und Gas gestoßen, die Vorkommen seien aber von geringer Qualität und Menge, eine Förderung lohne sich nicht. Ezequiels Telefon hört an diesem Tag nicht mehr auf zu klingeln.
greenpeace magazin 2015
FOTOS Daniel Rosenthal