Länder wie Honduras leiden unter den Folgen der industriellen Fischerei und des Klimawandels. Weil die großen Lösungen fehlen, hilft die Organisation Rare den Fischer:innen im Kleinen. Über Vorbilder an einem lebensgefährlichen Ort
Dies ist ein Text über Menschen und Fische. Über Menschen, die von Fischen leben, und Fische, die wegen Menschen nicht mehr leben. Natürlich geht es dabei um viel mehr als um Boote, Leinen und Köder. Es geht um Garnelen, die verlässlich weltweit Tiefkühlregale auffüllen, als kämen sie aus einer unversiegbaren Quelle. Es geht um Kohlekraftwerke, die Gletscher schmelzen, wodurch die Küsten aufgefressen werden; es geht um ein weißes Pulver, das in den Nachtclubs die Nasenschleimhäute zerstört und in Ländern wie Honduras alles.
All das macht den Fischerfamilien in dem gut Zehn-Millionen-Einwohner-Land in Mittelamerika zwischen Nicaragua, El Salvador und Guatemala das Leben schwerer, als es ohnehin schon war. Sie können nicht erwarten, dass irgendetwas davon in ihrem Interesse aufhört. Gerade erst sind die Verhandlungen zu einem internationalen Fischereiabkommen gescheitert, weltweit blasen immer noch mehr als 2.400 Kohlekraftwerke gletscherschmelzende Gase in die Atmosphäre – und das Kokain findet immer seinen Weg. Dies ist trotzdem ein hoffnungsvoller Text.
Denn manchmal braucht es gar nicht viel, um jemandem zu helfen. Manchmal sind es erschreckend simple Ideen, die einen Unterschied machen für Menschen, die Hilfe brauchen. Die hat in diesem Fall die internationale Nichtregierungsorganisation Rare, die mit ihrem Programm „Fish Forever“ Fischer:innengemeinschaften weltweit helfen will – wie der Name sagt –, für immer Fisch zu haben. Die handwerkliche Fischerei stärken, die industrielle wenn möglich schwächen, Fische schützen, Geld sparen – in einem Land wie Honduras ist nichts davon einfach.
Am 29. Februar war der deutsche „End of Fish Day“, also der Tag, ab dem wir unsere eigenen Fischreserven für unseren Jahreskonsum laut den Organisationen Brot für die Welt, Fair Oceans und Slow Food Deutschland aufgebraucht haben. Das heißt natürlich nicht, dass es ab diesem Tag keinen Fisch mehr in Deutschland zu kaufen gab, der kommt ja einfach von woanders her. Es ist ein Privileg, dass wir nur „rein rechnerisch“ keinen Fisch mehr haben; dass der Klimawandel „statistisch gesehen“ immer schlimmer wird und dass die Ungleichheit „global gesehen“ weiter zunimmt. Für die Menschen in Honduras gilt dieser Satz ohne die Einschränkungen in den Anführungszeichen. Zum Beispiel für Marcos Padilla.
Er ist Fischer wie sein Vater, sein Großvater, vermutlich auch sein Urgroßvater und nun ganz sicher sein Sohn Oneal. In beide Richtungen des Stammbaums: Fischer. Oder, wie Padilla es erklärt: „Ich bin ein Fischer. Ich war ein industrieller Fischer und jetzt bin ich ein handwerklicher Fischer. Das ist der Weg, den ich eingeschlagen habe, um meine Familie ernähren zu können: Fischfang. Das ist es, was wir hier machen können.“ Padilla wohnt mit seiner Familie in Quinito an der Karibikküste von Honduras. Das Land ist so arm, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung von weniger als umgerechnet 6,28 Euro am Tag lebt, was von der Weltbank als Armutsgrenze angesetzt wird.
Marcos Padilla und seine Familie leben unter dieser Grenze. Ihr 600-Einwohner-Dorf ist von der nächstgrößeren Gemeinde Santa Fe aus nur per Boot zu erreichen, wenn das Meer zu rau ist, per dreistündiger Wanderung durch den Dschungel – oder eben gar nicht. Der steigende Meeresspiegel frisst in der Gegend die Strände auf, provisorisch errichtete Schutzwälle können die dahinter liegenden Häuser nicht ewig schützen. Jeder weiß das, aber niemand will es wahr haben. Bis 2050 wird der Meeresspiegel hier an der Atlantikküste siebzig bis achtzig Millimeter steigen, im Westen Honduras mussten bereits die ersten Dörfer umgesiedelt werden. Und die Stürme, die in diesem Teil der Erde zu Hurrikans anwachsen, werden stärker werden.
Vor vier Jahren verwüsteten die Hurrikans Eta und Iota die Gegend, ein kleinerer Sturm vergangenen Winter riss die Seebrücke in Santa Fe vom Ufer ab. Quinito hat Glück, die Steinstrände hier halten den Wellen stand – noch.
Die meisten der Häuser sind aus nacktem Beton und Wellblech gebaut, an einigen Bäumen und Palmen hängen halbierte Plastikflaschen mit einem umgedrehten, ebenfalls halbierten Plastikkanister darüber. Nur an diesen Orten ist das Netz gut genug, sodass Mobiltelefone Nachrichten empfangen können, wenn man sie lang genug in die Plastikflaschen stellt.
Es gibt hier nicht viele andere Möglichkeiten, als fischen zu gehen und Gemüse wie Maniok, Kochbananen, Mais und Bohnen anzubauen, die meisten machen beides. Das kann ein gutes Leben sein, solange das Gemüse wächst und der Fisch beißt. Aber das tut er nicht mehr. Edinaldo Martínes Puerto, ein gemütlicher 66-jähriger Mann und Präsident der Fischergruppe von Quinito, erinnert sich: „Früher sind wir ein oder zwei Stunden fischen gegangen und haben genug nach Hause gebracht.“ Heute fahren die meisten die ganze Nacht lang mit ihren Kanus hinaus, die so schmal sind, dass man kaum nebeneinander darauf stehen kann.
Marcos Padilla bevorzugt den Tag. Das Meer ist rau heute, er jagt das Kanu den Wellenbergen entgegen. Die Gischt klebt ihm das T-Shirt an den Oberkörper, genau wie seinem 21-jährigen Sohn Oneal, der so kerzengerade vor ihm steht, als sei er ein Mensch gewordenes Senklot. Sie werfen die Angelschnur aus und ziehen sie ohne Spule mit bloßen Händen wieder ein, heute werden sie einige rot gepunktete Schnapper mit nach Hause bringen. Oneal fischt, seit er sieben Jahre alt ist, „ich liebe es, auf dem Boot zu arbeiten, vor allem an der Seite meines Vaters“, sagt er. Er liebt auch Borussia Dortmund, den Verein, dessen Shorts er trägt.
Dass es für ihn überhaupt eine Möglichkeit ist, hier auch noch in Zukunft zu fischen, liegt an den simplen Ideen, die einen großen Unterschied machen. Darauf gebracht hat sie Riky Ellis von der Umweltschutzorganisation Rare. Ellis ist ein stets vergnügter, stets hungriger und baumgroßer Mann aus Santa Fe von der Volksgruppe Garifuna, die auf schiffbrüchige westafrikanische Sklaven aus dem 17. Jahrhundert zurückgeht. Dem 36-Jährigen ist wichtig zu betonen, dass alles gemeinsam entschieden werde. Er sagt: „Man kann nicht jemandem einen Motor schenken, der nicht weiß, wie man ihn benutzt. Die Fischer haben ihre Schwächen erkannt und begonnen, sie in Stärken umzuwandeln.“
Dorfbewohner wie Edinaldo Martínes Puerto erinnern sich an bergeweise tote Fische am Strand, über die sich die Vögel und die Hunde hermachten. Die Fischer:innen hatten sie als zu klein aussortiert, weil sie sie mit zu engmaschigen Netzen fingen. Diese Netze sind nun verboten, genauso wie das Fischen in neu eingerichteten Schutzzonen. Vor Quinito darf nun auf einer Fläche von etwas mehr als vier Quadratkilometern nichts mehr gefangen werden. Auf einem Schild am Strand ist sie viereckig auf einer Karte mit GPS-Koordinaten eingezeichnet, darin Bilderbuchfische, -korallen und -krebse. Rare hatte mit Computermodellen errechnet, dass das Riff in dieser Zone so bilderbuchhaft lebendig ist wie hier aufgemalt. Noch sei es zu früh, um Erfolge messen zu können, aber die Hoffnung ist, dass die Fische sich in diesen Schutzzonen so zahlreich erholen, dass sie drum herum gefangen werden können, ohne dass es den Bestand gefährdet.
Dass es immer weniger Fische gibt, hat mehrere Gründe. Weltweit überfischen große Trawler die Fischgründe im Auftrag der privilegierten Teile der Weltbevölkerung, da ist Honduras keine Ausnahme. Früher kämmten US-amerikanische Schiffe die honduranischen Gewässer leer, heute sind es honduranische Schiffe – die ihren Fang größtenteils in die USA exportieren. Aber auch die Deutschen kaufen Garnelen aus Honduras, 2023 waren es rund 340 Tonnen. Sollte es hier eines Tages keine Garnelen mehr geben, wird die deutsche Industrie sie einfach in einem anderen Land einkaufen. Für die Menschen hier bedeutet das aber dann: Sie werden keine Garnelen mehr essen.
Weil es kaum andere Möglichkeiten gibt, arbeiten viele Männer aus den Küstendörfern auf den Fischtrawlern, so wie Marcos Padilla es jahrelang tat. Auf den großen Schiffen ziehen sie den Fisch aus den Meeren, der dann ihren eigenen Gemeinschaften fehlt. Aber es gibt eine Alternative zu diesem industriellen Massenfischen: handwerkliche Fischerei. So bezeichnet wird all jene Fischerei innerhalb von drei Seemeilen von der Küste; die Boote haben ein Fassungsvermögen von weniger als drei Tonnen und es wird nur einfache Fischereiausrüstung verwendet. Würde diese Art des Fischens genug abwerfen, würde keiner der Männer Jahr für Jahr acht Monate lang in der Kajüte eines Industrietrawlers schlafen, acht Monate lang seine Frau und Kinder verlassen, acht lange Monate über schwankenden Schiffsboden laufen.
Damit sich die handwerkliche Fischerei für sie wieder lohnt, schützt die Umweltorganisation Rare zum einen die Fischbestände und macht zum anderen die Fischer:innen – ja, unter ihnen sind auch Frauen – sichtbar. Wie viele handwerkliche Fischer:innen es in Honduras gibt, war lange Zeit unbekannt. Denn sie bedurfte keiner Registrierung oder Lizenz. Folglich wusste niemand, wie viele Fischer wie viel Fisch fingen. Und folglich stimmten auch die offiziellen Fangstatistiken nicht. Eine Studie der Forschungsinitiative Sea Around Us von der University of British Columbia kam 2015 zu dem Ergebnis, dass die in Honduras gefangene Fischmenge mehr als doppelt so groß ist wie die Menge, die das Land an die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) meldet. Zu 40 Prozent machten die Forschenden dafür nicht gemeldete handwerkliche und zu elf Prozent Fischerei für den Eigenbedarf verantwortlich.
Das Centro de Estudios Marinos, CEM, eine Partnerorganisation von Rare, entwarf 2017 ein Registrierungssystem, und zwar eines, das zu den Fischer:innen in die Dörfer kommt, damit sie nicht dafür reisen müssen – und es dann eben doch nicht tun. „Wir haben jetzt genauere Daten über die Fischerei, also wer fischt und was sie fischen“, sagt Cristhian Perez, der die Entwicklung des Systems damals leitete und heute für Rare weiterentwickelt. „Jetzt können wir versuchen, die nationalen Fischereigesetze zu ändern, weil sie jetzt verstehen, dass es nicht nur fünf handwerkliche Fischer in der nächsten Gemeinde gibt. Jetzt verstehen sie, dass es mehr als 7.000 Fischer sind.“ Und die fangen viele Fische.
Laut einer 2019 von einem internationalen Forschungsteam veröffentlichten Studie ziehen die handwerklichen Fischer:innen zusammengenommen sogar mehr aus dem Meer als die Industriefischerei. Ihre Fänge sollen sie nun per App registrieren, das klappt aber noch nicht recht. Perez weiß, dass man für solche Umstellungen Geduld haben muss.
Bleibt das Problem der zerstörerischen Industriefischerei. Die Studie der University of British Columbia macht für 45 Prozent der nicht gemeldeten Fänge den Beifang der industriellen
Garnelenfischerei verantwortlich. Beifang, das sind Fische, die völlig umsonst sterben und meistens einfach leblos wieder ins Meer gekippt werden. Überfischung aus Bequemlichkeit. Um die
handwerklichen Fischer:innen vor den Folgen zu schützen, hat Rare sich mit Bürgermeistern der Küstenorte zusammengetan. Einer von ihnen ist Hector Mendoza aus dem einige Kilometer östlich
gelegenen Trujillo, dessen Rathaus auf einem Hügel liegt, von dem aus er das Karibische Meer überblicken kann.
„Die industriellen Trawler sind so groß, dass die lokalen Fischer weit rausfahren mussten, weil sie nicht genug finden konnten“, erzählt er mit amerikanischem Akzent. Deswegen hat Mendoza, dem die Mittagshitze nun einen Schweißfilm auf die Stirn treibt, sich dafür eingesetzt, dass die Hoheitsgewässer – zwölf Seemeilen – in seinem Verwaltungsbereich für die Industriefischerei gesperrt werden. Genau wie die Bürgermeister von Limon, Iriona und Santa Fe. Das Ziel von Rare ist es, die Nationalversammlung davon zu überzeugen, alle Hoheitsgewässer Honduras unter diesen Schutz zu stellen. Solange das nicht passiert, machen sie Bezirk für Bezirk weiter.
Mit der politischen Arbeit ist das so eine Sache in Honduras. Denn es gibt das offizielle Machtgefüge, dem seit zwei Jahren die demokratisch gewählte erste weibliche Präsidentin Xiomara Castro vorsteht, sie lächelt steif von einem Foto in Mendozas Büro. Und dann gibt es das inoffizielle Machtgefüge, dem die von niemandem gewählten Drogenkartelle vorstehen, die Kokain durch das Land schmuggeln, um es den Menschen in den USA und Europa zu verkaufen. Sie lächeln von keinen Fotos in niemandes Büros, aber sie infiltrieren alles, die Politik, die Polizei, das Militär.
Laut Human Rights Watch ist Honduras eines der gewalttätigsten Länder der Welt, 2022 meldete die Polizei 3.661 Morde, das entspricht 38 Morden pro 100.000 Einwohner. Da dürfte es niemanden wundern, dass sich Tausende Honduraner:innen auf den langen und illegalen Weg in die USA machen, 2021 lebten mehr als eine Million von ihnen dort.
Seit 2022 lebt dort auch ihr vormaliger Präsident Juan Orlando Hernández, allerdings hinter Gittern. Das US-Justizministerium bezeichnet ihn als „eine zentrale Figur in einer der größten und gewalttätigsten Kokainhandelsverschwörungen der Welt“, im März dieses Jahres wurde er in allen gegen ihn erhobenen Anklagepunkten für schuldig befunden.
In diesem Land die Natur schützen zu wollen, kann schnell gefährlich werden. Erst vergangenen Januar sind zwei Umweltaktivisten anderthalb Autostunden von Trujillo entfernt erschossen worden, sechs Monate später wurde auch der Bruder von einem der beiden erschossen. „Das organisierte Verbrechen bewegt sich wie die Quallen“, sagt Vanessa Sierra, die sich gemeinsam mit Bürgermeistern wie Hector Mendoza und Rare für die Meeresschutzzonen einsetzt. „Es bewegt sich unter Wasser, und manchmal ist es nicht wahrnehmbar. Wann spürst du es? Wenn es dich wirklich berührt hat.“
Aber mancherorts haben sich die metaphorischen Quallen zu einer solchen Plage ausgewachsen, dass man dort nicht mehr ins Wasser gehen kann. Der benachbarte Verwaltungsbezirk ist so ein Ort. Ironischerweise trägt er den Namen Gracias a Dios, Gott sei Dank. Weder Rare noch eine andere Umweltschutzorganisation arbeitet dort.
Wir fahren nun aber trotzdem bis kurz vor die Grenze zu Gracias a Dios in das Garifuna-Dorf Iriona. „In diesem Gebiet ist es eigentlich sehr sicher, auch wenn es eine Route ist, die an illegalen Prozessen vorbeiführen kann“, sagt Cristhian Perez. „Sicher“ ist in Honduras ein dehnbarer Begriff. Die nicht enden wollende staubige Schotterpiste nach Iriona vorbei an ebenfalls nicht enden wollenden Palmölplantagen ist die Hauptverkehrsroute für den Kokainschmuggel, uns verlangt sie einen platten Autoreifen ab, Wegzoll.
Am Ende der Straße steht das Dorf Iriona, und in diesem Dorf steht ein Kulturzentrum aus Holz, und in diesem Kulturzentrum aus Holz schart sich nun eine Gruppe Frauen in weißen T-Shirts um eine Metallkiste mit drei Schlössern. Die Schlüssel dafür tragen zur Sicherheit drei verschiedene Frauen. Denn in der Kiste lagert das Ersparte der 41 Frauen, die sich hier mithilfe von Rare zu einem Sparklub zusammengeschlossen haben. Jede Woche treffen sie sich und legen umgerechnet gut neun Euro in das Körbchen für persönliche Zwecke und gut siebzig Cent in das Körbchen für soziale Zwecke. Rund fünfzig solcher Sparklubs hat Rare in Honduras zu gründen geholfen. Das ist wieder so eine einfache, aber wirksame Idee: Sparen, das hat hier vorher einfach niemand gemacht.
Mit den persönlichen Ersparnissen finanzieren die Clubmitglieder sich Waschmaschinen, Equipment für die Fischerboote, Kocher. Mit den sozialen Ersparnissen bauen sie öffentliche Toiletten, Bänke, Gehwege. Einige der Frauen in Iriona verwirklichen mit dem Geld auch eigene Geschäftsideen, wie die Herstellung von Kokosnussöl, Kokosbrot oder des süßen dickflüssigen Mais-Getränks Atol. An diesem drückend heißen Tag führen sie das den anderen Frauen vor, „delicioso!“ – lecker – rufen einige von ihnen, sie lachen und klatschen.
Auf der Rückfahrt aus dem sicheren Iriona fährt Perez beinahe einen der mageren Straßenhunde tot, der auf die Schotterpiste gerannt war. Doch an diesem Tag sterben andere. Ein Huhn, das Perez dann tatsächlich überfährt, und ein Mann, der neben seinem Motorrad erschossen auf der Straße liegt, Blut im Gesicht und die Gliedmaßen verdreht wie ein Körper, der schon tot war, als er zu Boden fiel. Er sei nicht von hier, bescheidet „El Pastor“ mit einem schnellen Blick, der mit uns im Auto sitzt, weil er neben seinem Job als Pastor auch als Lokalkraft für Rare arbeitet. Wir halten nicht an, damit er seinen Segen sprechen kann, denn in einen Narco-Mord mischt man sich besser nicht ein. Die Menschen im Dorf spielen Normalität und unser Auto auch, wir fahren uns bald darauf einen zweiten platten Reifen, so will es die Straße.
Dies ist trotzdem ein hoffnungsvoller Text. Denn er zeigt, dass es das Richtige im Falschen geben kann. Handwerklichen Fischfang neben der großen Industrie, Schutzzonen neben Ausbeutung, demokratische Sparklubs inmitten von Korruption, Leben umringt von Tod. Natürlich würden den Menschen in Honduras die großen Lösungen mehr helfen – ein internationales Fischereiabkommen, echter Klimaschutz, faire Kompensationszahlungen, ein Ende des Drogenkriegs. Aber so lange all das nicht passiert, müssen die kleinen Lösungen reichen.
der Freitag 2024
FOTOS Victor Raison
Die Serie „Blue New Deal“ ist ein Projekt von Svenja Beller, Julia Lauter, Martin Theis, Fabian Weiss und der Freitag. Das Projekt wird vom European Journalism Center (EJC) über den Solutions Journalism Accelerator finanziert. Dieser Fonds wird von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt.